Der Weg, Löwenzahn und ein bisschen zu Hause
- Solveig Schmidt / Heldenreisen
- 16. Feb. 2015
- 2 Min. Lesezeit
Die Nacht war kalt. Nebel steigt auf. Die Wiesen glitzern silbern.
Trueno schaut ins Zelt "Wann steht ihr endlich auf?" Bis wir gefrühstückt und alles in den Packtaschen verstaut haben, brennt die Sonne schon lange wieder auf der Haut. Unsere drei haben die Zeit genutzt, das nun nicht mehr gefrorene Gras zu knabbern und eine ausgiebige Siesta zu halten. Wir ziehen in Richtung Laguna Verde. Ich weiß nicht, wie viele grüne Lagunen es in Patagonien gibt - unzählige. Bis zur Laguna finden wir einen Pfad. Söckchen, dann auch Trömmel und Chef, stürzen sich auf einen Leckerbissen, der im Wald in Unmengen wuchs: Vicia sp., eine Vickenart. Bald erblicken wir die versteckte Lagune durch die Araukarien an ihrem Ufer. Es fällt schwer zu glauben, dass hier schon einmal jemand war. Alles sieht so unberührt aus.
Den weiteren Weg findet Roland nur sehr schwer. Wir zwängen uns durch die immer enger werdenden Bäume und Sträucher am Hang entlang. Hin und wieder öffnet sich der Blick ins Valle de la Magdalena. Zum Glück - in diesem engen, grünen "Tunnel" wird es unheimlich. Plötzlich kommen wir nicht weiter. Roland packt die Machete aus und lange Zeit höre ich nur sein Freischlagen. Dann Stille. Ich rufe, keine Antwort. Rufe lauter, nichts. Panik steigt auf. Was ist los? Ich kann ja nicht nachsehen, habe drei Pferde an der Hand. Schon einmal haben ich mir eine Trillerpfeife gewünscht, so wie wir sie früher im Hochgebirge. Sie ist viel weiter zu hören und schont Stimme und Nerven. Nach gefühlten hundert Jahren kommt Roland zurück:
Wir kommen hier durch, es geht. Aufatmen. Wir zwängen uns weiter durch die undurchdringliche Vegetation. Von meiner Packtasche fetzte nun auch noch der zweite Verschluss ab. Provisorisch knotete ich die Bänder zusammen. Bloß nichts verlieren! Bald kamen wir besser voran, der schmale Pfad an der Hangkante weitete sich und verliert an Steilheit nach oben und unten. Dann endlich: eine kleinen Lichtung. Wir gönnten uns eine Pause. Die Pferde hatten zwischendurch immer wieder Cania gezupft, freuten sich aber auch über die Abwechslung. Der bittere Löwenzahn schmeckte auch uns.
Seit dem Frühstück waren sechs Stunden fast vergangen und ein
paar Nüsse machen nicht wirklich satt.
Das letzte Stück bis ins Tal verging rasch. Wir kamen in der Nähe des Puestos des "Einsiedlers" raus. Nein, das hatten wir nicht erwartet. Aber so ist das hier: Du folgst dem Weg. Hier unten kannten wir uns ja gut aus. Es ist seltsam, wie schnell sich bei unserem Nomadenleben ein Gefühl von "zu Hause" einstellt. An fast derselben Stelle wie vor drei Tagen schlugen wir Zelt und Koppel auf.

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