Valle del Lago Esperanza - Einsamkeit und Frieden
- Solveig Schmidt / Heldenreisen
- 5. Dez. 2016
- 3 Min. Lesezeit
Nach einer weiteren Reitstunde erreichen wir das Puesto Oeste am westlichen Seeufer des Lago Esperanza. Vanessa und Brauli, die beiden jungen Posteros, zeigen und den Platz für unser Zelt. Wir laufen durch einen abgefressenen Korral in dem die Schafherde nachts eingepfercht wird, und eine Koppel. Auch mit sehr kurzem Gras. Hoffendlich wächst in dem angrenzenden Bereich mehr. Knarrend wird das große Tor geöffnet. Super. Zwischen den Bäumen und Sträuchen wachsen junge Gräser und Kräuter. Es gibt einen Tisch aus Holzbohlen und eine große Feuerstelle. Ein Windschutz aus einem Geflecht von Cañastangen und abgebrochenen Ästen der Coihuen lassen erahnen, wie windig es hier sein kann. Darauf hat uns Nico hingewiesen: auf dem Camping gibt es Fische und Wind. Noch ist es ruhig. Wir entlasten unsere drei von ihrem Gepäck und lassen sie laufen. Nein, nicht ohne vorher Zaun gebaut zu haben. Niemals würde Roland die Pferde laufen lassen, zu oft haben seine Kontrollen des Zauns offene Bereiche gefunden, auch wenn die Gauchos bestätigten:“ Si, todo cerrado.“ - alles geschlossen. Außerdem sind uns Günthers Berichte von stundenlanger Suche nach seinen Pferden im Ohr.
Der Rio Esperanza, der in den Lago fließt soll sehr fischreich sein. Hier fängt jeder Fische, werden wir ermutigt. Im Sportladen in El Hojo lassen wir uns ausrüsten: 6 Angelhaken, drei Gewichte und Sehne. Geangelt wird mit der Latta, einer Blechdose, um welche die Schnur gewickelt wird. Das sei nun mein Part, verkündet Roland. Ich? Ich soll angeln? Nun gut, ein gegrillter Fisch würde unseren Speiseplan enorm aufwerten. Nach der Abmachung, dass ich mit dem Ermorden des Tieres nichts zu tun habe, ziehe ich mit Latta, Faltschüssel für die Fische und Hoffnung los. Ich suche eine mir günstig erscheinende Stelle am Seeufer. Nach einigen Versuchen gelingt es mir, die Schnur mit Haken so in den See zu befördern, dass ich die Latta in der Hand behalte und die komplette Angelsehne mit Köder im See liegt. Als Köder dient ein Stück Fleisch. Ich bin unschlüssig, ob ich den vermeintlichen Wurm ruhig liegen lasse, oder etwas bewege. Nachdem beide Methoden keinen Erfolg bringen, entscheide ich, den Standort zu wechseln. Näher an der Mündung übe ich mich in Geduld.
Der Himmel zieht sich zu und es beginnt zu tröpfeln. Das Spiel der Tropfen lenkt mich völlig ab und beansprucht meine ganze Aufmerksamkeit. Wann habe ich jemals Regentropfen beobachtet? Wenn die Tropfen in den See fallen, zerspringen sie nicht sofort oder lösen sich in der Wassermenge auf. Sie bestehen einige Momente fort, sinken wie kleine Perlen unter die Oberfläche, um sich erst dann mit dem Wasser des Sees zu vereinen. Aber nicht alle Tropfen verhalten sich gleich. Wenige sind sofort weg und hinterlassen nur die üblichen keisrunden Wellen. Andere bleiben bis fünf Sekunden , das war der von mir beobachtete Rekord, als Tropfenindividuum im großen See erhalten. Wie filigran diese kleinen Perlen eintauchen. Ping, Ping, Ping. Nun nehme ich wahr, dass es regnet. Mir fällt die Latta wieder ein, wickle die Angelschnur auf, der Köder hängt noch, und laufe zurück zum Zelt. Und? Wie viele?, ruft Roland mir entgegen. An der Geduld hats nicht gelegen, rede ich mich raus undmit übergebe das Equipment. Roland zieht los. Der kräftige Wind hat den Regen fortgeblasen. Typisch patogonisch, denke ich und ziehe die übrigen Sachen, die ich mit habe, an. Spätestens jetzt erklärt sich der Windschutz, hinter dem wir das Zelt aufgebaut haben. Unterhosenwetter. Der Wind pfeift und lässt die gefühlte Temperatur gegen Fünf Grad fallen. Mit T-Shirt, Pullover, Hemd, Windjacke, Unterhose und Hose gerüstet, sitze ich am Feuer, lege Holz für eine ordentliche Menge Holzkohle nach und warte bis das Wasser kocht. Roland kommt zurück. "Morgen müssen wir den Haken bergen." Jetzt ist ihm zu kalt, in den Fluss zu steigen. Beim Versuch, den Köder an den idealen Fangplatz zu postieren hat sich diese in den Ästen, die über dem Fluss hängen, verheddert. Heute Abend gibt es keinen gegrillten Fisch.
Länger als geplant bleiben wir im Tal des Lago Esperanza. Was uns hier festhält, sind dieser Frieden, diese Ruhe, die der Ort ausstrahlt. Nichts ist eilig, nichts läuft davon. Wichtig ist jetzt. Wer hier ist, hat viele Stunden auf dem Pferd zurückgelegt. Für die Versorgung der beiden Puestos gibt es eine kleine Piste für ein Flugzeug. Einen anderen Zugang gibt es nicht. In diesem Tal wurde die älteste Alerce Patagoniens gefunden – 3500 Jahre alt. Der Weg dorthin führt durch pfadlosen Wald mit mehreren Flussquerungen. Die letzten 800 Meter wollen wir den Pferden ersparen, so hat Roland hat den Baum zu Fuß besucht und das Geschenk des langen Lebens eingesogen.



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