Solveig Schmidt

Schreiben ist Freude plus Disziplin

Ich möchte dich heute wieder ein Stück mit auf Almas Reise in meinem Buch "Hunger nach Leben" nehmen. Ich schreibe gerade an den letzten Kapiteln.


 
Mein Leben ist im Moment derartig turbulent, dass ich die Zeit für Almas Reise, einer Heldenreise durch ihr Leben irgendwo abknapsen muss. Schreiben verlangt Muse, aber auch Disziplin. Es verlangt ein Dranbleiben, ein Durchhalten. Es ist wie ein Marathon.
 

Nach meiner letzten Reise durch Argentinien Anfang 2022 habe ich gefürchtet, dass ich die alte Alma "verloren" habe. Ich konnte eine Weile nicht weiterschreiben. Mein Schreibcoach Ulrike Dietmann hat mich über die Hürde gehoben. Es war nicht das Schreiben, was mich aufgehalten hat, es waren die schmerzhaften Momente in Leben, in die ich beim Schreiben eintauche und sie wieder erlebe. Davor wollte mein Verstand mich bewahren.

Der Verstand will und schützen in der Begegnung mit unseren inneren Drachen. Dabei verhindert er, dass wir den Schatz finden können, den der Drachen bewacht. Wenn du jetzt Fragezeichen hast - dann schaue dir gern den universellen Entwicklungsprozess der Heldenreise an. Darin findest du die 11 Schritte des Prozesses.

Ich habe die Blockade überwunden und konnte weiterschreiben. Den Drachen begegnen und neue Schätze finden.

Ich staune, wie über die Zeit Kapitel um Kapitel geschrieben werden und die die Geschichte wächst ...


 


Aus "Hunger nach Leben" - unveröffentlichtes Manuskript (alle Rechte vorbehalten)


 
"Alma kauert auf dem staubigen Boden. Die Satteldecke ihres Pferdes Söckchen hängt über ihren Schultern, die Enden hält sie fest in ihren verkrampften Händen. Ihre Arme umschlingen die angewinkelten Beine, als müsste sie sich selbst festhalten, um nicht abzugleiten. Der Kopf ist schwer nach vornübergekippt und findet Halt auf den Knien.

Sie weiß nicht, wie lange sie schon hier sitzt und weint. Die Zeit ist ihr verloren gegangen, hat sich aufgelöst, wie sich gerade alles aufzulösen scheint. Sie fällt im freien Fall ins Bodenlose. Es gibt nur den einen Halt: Söckchens Satteldecke. Sie ist verklebt vom Schweiß der anstrengenden Aufstiege in praller Sonne, zerrissen vom Hängenbleiben den zentimeterlangen Dornen der Jaki - Büsche. Sie verbreitet einen unvergleichbaren Duft nach Pferdefell, Erinnerungen, Zuhausesein und bedingungsloser Liebe.


 
Längst ist die Sonne hinter dem Horizont verschwunden und hat ihre Wärme mitgenommen. Alma friert und kuschelt sich noch tiefer in die Decke. Dass die alte Sofadecke ihrer Mutter ihr einmal so viel bedeuten würde, hätte Alma nie vermutet. Jetzt liegt sie wie ein Mantel aus Mutterliebe über Almas Schultern und hüllt sie ein. Sie spürt den Schutz wie einen Ruf der Mutter 13.000 Kilometer über den Ozean und die trockene Pampa: Du bist nicht allein. Noch nie hat Alma diese so Mutterliebe gespürt. Jetzt ist sie überwältigt von diesem Gefühl. Jetzt wo sie ganz allein ist mit Söckchen und friert.


 
Feuchte Rinnsale zeichnen Spuren auf ihrer staubige Haut. Langsam versiegen die Tränen. Almas Kopf beginnt zu arbeiten. Was war eigentlich passiert?


 
Eriks Brüllen zerreißt Stille.
 
„Verlasse sofort meine Reise!“ verachtend blitzen seine Augen.

„Du bist widerlich,“ setzt er obendrauf.


 
Dieser wortgewordene Angriff springt heimtückisch wie ein Puma auf das nichtsahnende Opfer und reißt Alma zu Boden. Ein Schmerz durchbohrt ihre Brust, durchschießt die Rippen und stoppt mitten im Herzen. Alma zittert am ganzen Leib. Blut ergießt sich aus dem weinenden Herzen in ihren Brustkorb und nimmt ihr langsam die Luft zum Atmen. Sie erstickt. Sie erstickt am Schmerz, die Eriks gewaltige Worte hinterlassen.


 
Keine Sekunde länger kann Alma dem Donnerwetter aus Worten, Hass und Verachtung standhalten. Weg, weg, weg. Ihr Fluchtinstinkt mobilisiert letzte Kräfte, die ihr immer noch bebender Körper Stück um Stück verliert.

Doch der Widerstand ihrer Seele wächst mit jedem Tropfen verlorener Körperkraft. Sie greift die zum Trocknen ausgelegte Satteldecke ihres Pferdes und rennt ziellos davon.


 
Was habe ich gesagt, getan? Alma versucht die Situation zu rekonstruieren. Eine von so vielen, an dem sie einen wunden Punkt berührte und Erik explodierte. Sie wendet die letzten Stunden hin und her, sie findet keinen rationalen Grund, keinen Anlass, der diese Eskalation rechtfertigen könnte.


 
Wie gern würde sie sich einfach schütteln und wie Söckchen das traumatische Erlebnis einfach abschütteln. Einfach so loswerden, ohne es tausendmal durch endlose Gedankenschleifen durch ihren Kopf zu zerren.


 
Almas Gedanken sind müde. Sie denken nicht mehr. Wie schlaffe Luftschlangen hängen sie tausendmal gedacht aus ihrem Kopf. Leblos. Sie gehören nicht mehr zu ihr. Es gibt keine Gedanken mehr. Keine Fragen mehr keine Vorwürfe mehr.


 
Eingehüllt in Mutterliebe schweift ihr Blick über die gelbbraunen Gräser und die sanft gewellten Hügel der Pampa: nichts was ihren Blick und ihr Gemüt aufregen könnte. Die sanften Farben verweben sich mit dem fernen Blöken der Schafe, die zusammengetrieben die Nacht im Schutz des Korrals vor Angriffen des Pumas verbringen.


 
Ihr Blick bleibt im silbrigen Mondlicht an der Söckchens Silhouette hängen. Er grast zufrieden in der kleinen Herde der drei Pferde. „Dich kann mir keiner nehmen, wenn ich diese Reise verlasse, denkt Alma und atmet ruhig. ...."


Schreibst du auch? Ein Tagebuch oder Journal? Schreiben ist Heilen. Du arbeitest dich an Dinge in deinem Unterbewusstsein heran, die dich beeinflussen, ohne dass es dir bewusst ist. Das drückt sich in Mustern und Automatismen deines Verhaltens aus. Mit dem Schreiben holst du diese Momente ins Bewusstsein. Damit verlieren sie die Macht über dich. Du holst dir jedes Mal ein Stück Souveränität zurück.

Schreibe mir gern deine Erfahrungen an jetzt@solveigschmidt.jetzt