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Calafate naschen und privilegierte Aussichten

Die Sonne steht schon hoch, als wir uns endlich aus den Schlafsäcken pellen. Unsere drei warten vor dem Zelt auf ihre zusätzliche Futterration. Wir sind froh, dass sie sich nicht auf den Weg nach besseren Weidegründen gemacht haben. Die treuen Seelen wissen, dass wir sie gut versorgen … bisher war es immer so: Jeden Abend war für unsere drei der Tisch reich gedeckt. Die letzte Nacht war hoffentlich eine Ausnahme. Aber so ist das hier, hinter einem Zaun kann eine völlig andere (Futter)welt sein. Roland ist noch immer sauer auf Viktor, er hat uns versichert "am Fluss gibt es gutes Futter"... Wir laufen ein Stück am Rio Percy flussaufwärts durchs pueblo. Ich staune, als ich in einem Grundstück einen Pferdehänger sehe, einen richtigen, keinen der so aus Brettern zusammengeschustert ist. Das ist selten. Wenige Leute transportieren Pferde, wie bei uns. Meistens stehen die Pferde auf der Ladefläche eines LKW. Völlig unproblematisch. Wir verlasen das Tal und steigen auf. Die Vegetation wird tocken, steppenartig. Die wenigen Flecken mit Gras nutzen wir, um unsere drei nach der kargen Nacht fressen zu lassen. Auch wir können naschen. Unzählige Calafate-Sträucher tragen massenhaft die blauen, jetzt reifen Beeren. Die Früchte machen süchtig. Man kann gar nicht aufhören zu zupfen und handvollweise den Mund zu füllen. Der erst etwas herbe Geschmack wird immer süßer. Zum Schluss kann man die vielen kleinen Kernchen zerbeißen. Was für ein Genuss! Einige Samen spucke ich in ein Stück Toilettenpapier , falte es sorgfältig zusammen und verstaue es in einem Tütchen in der Hosentasche – vielleicht kann ich zu Hause daraus Pflänzchen ziehen. Durch das Gewirr von Sträuchern und Bäumen steigen wir immer weiter auf. Am späten nachmittag stehen wir wieder vor einem Zaun, hinter dem eine andere Welt anfängt. Keine Tiere – viel Futter. Der Zaun ist so marode, dass wir die Seiten gut wechseln können, ohne uns wie Eindringlinge zu fühlen. Unweit ist ein Puesto mit überwältigendem Ausblick. Zu unseren Füßen liegt das Tal der Rio Percy, die Laguna Carao sogar den Flugplatz von Esquel erkenne ich an den blinkenen Masten. Hier übernachten wir. Unsere drei fühlen sich sofort wohl, wälzen sich nach dem Absatteln und hören mit Fressen nicht mehr auf.

Wir sitzen am Feuer und genießen die Abendsonne, die die gegenüberliegenden Berge in ein ganz besonderes Licht taucht. Wie wunderschön dieser Platz ist. Ich bin berührt von dieser einsamen Schönheit und fühle mich sehr privilegiert. Später bekommen wir Besuch. Zwei gemütliche Ochsen beschauen sich uns Eindringlinge und interessieren sich sehr für den Weidezaun. Mit stoischer Gelassenheit laufen sie an dem weißen Band entlang, akzeptieren es und verschwinden wieder im Gebüsch. Später bemerken wird die beiden mitten auf unserer Koppel und springen auf. Doch der Zaun ist intakt. Irgendwie haben sich diese Riesentiere unter dem Zaun durchgemogelt.

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