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Leben kann so einfach sein

Die Nacht blieb ohne Regen. Lange lag ich noch wach und hing meinen Gedanken nach: Vor zwei Monaten kämpften wir hier stundenlang hier um Jefes Leben ... mit Bewegung, Schnaps, Zucker und Zuversicht besiegten wir die Koliken.  An diesem späten Nachmittag damals erlebten wir den letzte Niederschlag. Das Bild von damals verursacht auch jetzt noch eine Gänsehaut: plötzlich spann sich ein  Regenbogen über den See. Nein, flehte ich, für Jefe brauchen wir die Regenbogenbrücke nicht, noch nicht... Ich schaue aus dem Zelt auf unsere kleine Herde: Zufriedenes Grasen. Das Leben kann mit so wenigen Dingen perfekt sein. Bei Aila-typisch bedeckten Himmel bauen wir das  Zelt ab. Zum Frühstück verwickelt mich Roland in eine Wegediskussion: Wir könnten doch von dieser Seite um den See reiten und mal schauen. Das Verbot galt ja nur von der anderen Seiten. Und bestimmt gäbe es dort auch eine Malline, auf der wir übernachten könnten... Rolands abenteuerlustige Augen blitzen mich freudig an. Ich wehr mich gegen den Gedanken und möchte gleich zu den Thermas, den heißen Thermalquellen. Ich sehe mich schon in den warmen Tümpeln liegen und kann spüren, wie die Wärme meinem Rücken gut tun wird. Die Schmerzen im Ilosakralgelenk begleiten mich mittlerweile ständig.  Nein, ich will nicht auf einer eventuellen Malline übernachten. Wir schlagen trotzdem den Pfad zum Westufer des Lago Paimun ein. Und finden auch den Abzweig zur Nordumrundung. Nein, Roland, wir wollen nicht... Uns begegnen zwei streunende Pferde, die über unsere Anwesenheit so erstaunt sind, dass sie sofort flüchten. Kurz darauf staunen wir: Am Ufer liegt ein mit rostiger Patina überzogener mächtiger Stahlkoloss, den Roland als alte Dampfmachine identifiziert. Dann geht es hinein in den temperaten Regenwald. Obwohl es schon weit nach Mittag ist, muss ich die Jacke anziehen. Der bedeckte Himmel lasst die wärmende Sonne nicht hindurch. Wir bummeln durch das faszinierende Grün. Wir wissen, dass wir zu unserem nächsten Ziel keine 6 Stunden brauchen und lassen und viel Zeit mit ausgiebigen Fresspausen. Der Zeltplatz an den Thermas hat einen neuen Chef. Wow, sogar die Proveduria hat geöffnet. Mehr Komfort - mehr Preis: Für eine Nacht will er 100 Peso pro Person. Die Pferde wären kein Problem, meint der Mapuche. Trotzdem gehen wir erst einmal die wenigen Meter zu Clementes Haus, dem Parkranger. Seine dunklen Augen leuchten, als er uns sieht.  Es ist ein bisschen wie nach Hause kommen und wir bleiben. Schnell ist eine Koppel um das Haus aufgebaut und Gepäck verstaut. Unsere drei Pferden wälzen sich ausgiebig. Auch sie fühlen sich willkommen. Wir laufen den Weg über den Zeltplatz, den langen Holzstreg, vorbei an heißen Quellen zu den Badebereichen der Thermas. Lange genießen wir das wärmende, braune Wasser. Auf dem Rückweg über den Campingplatz spricht uns ein Pärchen auf deutsch an: Tine und Jan. Beide besuchen seit 30 Jahren immer wieder Argentinien. Früher wollten sie einmal auswandern - sind aber an bürokratischen Hürden gescheitert. Wir bekommen viele Informationen, Insidertipps  und Kontakte. Und Äpfel. Ob ich etwas vermisse, will Tine wissen. Ich muss schon eine Weile überlegen: Frisches Obst und Gemüse. Ja das ist wohl im Moment mein einziger Wunsch. Das Leben kann so einfach sein.

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