Asyl bei Rosa und der Escoela No 188 und Jineteada-Aufregung
Wir richten uns in Rio Percey ein. Rosa hat für uns von der Direktorin der Escoela No 188 eine Erlaubnis zum abfressen des Grases hinter der Schule bekommen. (Muchissima Gracias, nueva directora!) Bis Freitag dürfen wir bleiben. Ebenfalls Freitag kommt der Eigentümer des Pferdehängers,der in Rosas Garten steht und uns angelockt hat. Er will uns zurück zu Lukas fahren. Auch das hat Rosa für uns gemanagt. So eine pfiffige, kleine Frau! (Abrazo grande, Rosa!) Auch Lukas hat sofort zugesagt: Natürlich können wir kommen! Alles geregelt, so liebe ich es – ganz unargentinisch. Unsere Sättel und das Gepäck verstauen wir hundesicher in Rosas "Galponchen" mit einer ganz eigenen Verschlussvarinate. Wir fragen uns, ob das das Brett zufällig in die Türoffnung passt und sich verklemmt, oder ob das Zufall ist...jedenfalls hält es superfest. Unser Zelt bauen wir am Fluss auf. Direkt gegenüber des Steilufers unweit der Badestelle ist es idyllisch. Holz für das Feuer finden wir ausreichend. Hier fällt mir das erste Mal auf, dass an jeder Feuerstelle ein kleines Bündel Holz liegt. Jeder der ankommt, kann also erst einmal Aqua caliente, heißes Wasser, für einen Mate bereiten. Wir nehmen diese nette Geste auf und mit. Ab jetzt hinterlassen wir an jeder Feuerstelle, die wir nutzen, ebenfalls etwas Holz. Am Wochenende ist Fiesta der Gauchos und Jineteada, also Reiterspiele und Rodeoreiten. Das besondere in Rio Percy ist zusätzlich das Fest der Ochsenkarren. Früher wurde das Brennholz aus den Bergen mit Ochsenkarren ins entfernte Esquel transportiert. Ein hartes Brot für Mensch und Tier. Diese Tradition wird jedes Jahr geehrt. Von den umliegenden Puestos kommen prächtig geschmückte Ochsenkarren mit einer gehörigen Brennholzfuhre aufs Festgelände gerollt und von den Gästen begeistert in Empfang genommen. Auch heute sind Ochsenkarren durchaus noch üblich und werden in abgelegenen Tälern für Transporte eingesetzt. Ich erinnere mich an das Turbiotal. Küchenherd, Sofa und Schrank fürs Puesto der Familie Vigero wurden mit Ochsenkarren durchs Delta gezerrt. Jetzt habe ich ein Bild dazu. Nein, ein schöner Anblick sind die Ochsen, deren Hörnern an das Joch gebunden werden bekommen, nicht. Sie sehen sehr traurig aus, so wie sie sich ihrem Schicksal ergeben haben. Ich denke an unsere beiden vom Puesto, Georg und Herbert. Sie haben die Tage zufrieden mit gemütlichem Grasen zugebracht. Das beruhigt mich ein wenig. Ich habe aber auch andere Ochsenpaare gesehen, die auch auf der Koppel aneinander gekettet waren … Rio Percy erinnert an die Tradition und die schwere Arbeit der Tiere. Zum Fest kommen viele Menschen in den Ort, das „Flussufer steht voller Zelte“, kündigt Rosa uns das Spektakel an. Es wäre besser, wenn wir mit unserem Zelt in ihren Garten umziehen. Gesagt, getan. Auch in Rosas Familie gibt es drei Reiter, die an den Wettkämpfen teilnehmen. Das Rodeo allerdings reitet nur der junge Ernan, der sich erstaunlich gut auf einem sehr wilden Dreijährigen hält, mit. Dieses wilde Gebuckel der ungerittenen Pferde ist nichts mehr für die Knochen der älteren Freizeitreiter. Sie haben die Pferde zum Spaß, nicht für die tägliche Arbeit. Ja eigentlich wollten wir ja Freitag Söckchen zu Lukas transportieren – aber so ist Argentinien: Du machst einen Plan und schaust, was sonst noch passiert. Wir bleiben – auf jeden Fall bis Montag. Die Fiesta und Rosas große Familie, die am Freitag kommt, lassen wir uns nicht entgehen. Am meisten aber freuen wir uns auf die vielen Verkaufsstände zum Fest: Essen ohne Limit. Es gibt nämlich keinen Laden in Rio Percy und unsere Lebensmittelsituation limitiert das freizügige Essen bis zum Sattwerden. Obwohl wir einmal zum Einkaufen gefahren sind. Am Morgen sind wir mit Olga, der Betreiberin des einzige Restaurants, nach Esquel gefahren und am Nachmittag mit einer ganzen Kiste zurück getramt. „Para dedo“ ist hier sehr üblich ist, denn nach Rio Percy fährt nur einmal pro Woche ein Bus. Es sind noch Ferien und der Schulbus fehlt. Uns sammelt ein junges Pärchen mit Pickup von der Straße, die eigentlich nur bis zum 5 km entfernten Badestrand der Laguna Zeta fahren wollten. Dort halten sie an und ich will schon von der Ladefläche hüpfen. „Wir kennen weder die Laguna Zeta, noch den Rio Percy, meint Rob, der junge Fahrer.“Ist der Rio schön?“ Wie aus einem Munde antworten Roland und ich gleichzeitig:“mui, mui lindo!, sehr,sehr schön!“ Und schon geht die holprige Fahrt auf der Ladefläche über die Piste weiter. Der Ingenieur, der im nahen Ford-Werk arbeitet und seine Frau wohnen erst 14 Tage in der Stadt und erkunden die Region – Glück für uns. Die wilden Pferde vom Rodeo leben nicht weit entfernt auf der Estancia Zeta und werden mit LKW zum Festgelände gefahren. Dort werden sie von hauptsächlich zwei Männern, Señor Jones und seinem Schwiegersohn, mit sehr viel Ruhe verladen. Inzwischen haben andere Männer im Korral ein Seil zwischen einem Baum und einem Pfosten gespannt, dessen Haltbarkeit sie mehrfach prüfen. Im Abstand von anderthalb Metern hängen am Seil Karabiner. Dort werden die Pferde nacheinander angehängt und warten entspannt auf ihren Einsatz. Ich möchte nicht wissen, was getan wird, dass aus diesen friedlichen Tieren so wild bockende Pferde werden. Zum Glück dauert ein Einsatz nur wenige Sekunden... Roland kommt mit Señor Jones ins Gespräch. Auch ihm erzählt er von unserem kranken Söckchen. „Wir sollen ihn besuchen kommen,“ berichtet Roland, „ er hat ein sehr zahmes Springpferd für uns.“ Abgesehen davon, das ich auch ein krankes Söckchen nie eintauschen würde, ein Springpferd brauche ich nicht, das hüpft bloß über unseren Weidezaun. Dennoch wächst ein neuer Plan. Wir werden, um Söckchens Bein zu schonen, nicht weiter durch die Berge reiten, sondern einen Bogen ins flache Land schlagen, in die Estepa, Söckchens Heimat. Auf dem Weg dorthin kommen wir direkt an der Laguna Zeta vorbei, wo wir übernachten werden. Auf dem Festgelände treffen wir Luka Bonanzea von der Estancia Los Trebol wieder. Mit seiner Gitarre begleitet der den payador, den Sänger der typischen Gaucholieder. Es werden historische Texte gesungen, aber auch das aktuelle Geschehen sofort in Liedverse umgesetzt. Den ganzen Tag lang. Sonntagabend verabschieden wir uns von Luka. Er hat die Gitarre eingepackt und zeigt uns seine Fingerkuppen … Himmel! Der Abend endet mit einem wunderschönen Fest in Rosas Garten. Als wir ankommen, brennt das Lagerfeuer für das Asado lichterloh. Die Stimmung ist ausgelassen. Es kursiert, wie sehr oft in Gaucho-Runden, ein großes Glas mit einem Gemisch aus Cola, Fernet und Eiswürfeln. Im Hintergrund läuft die typische Musik. Pajadores besingen Pferde, Feste und Gauchos. Später dudelt Tanzmusik und alle tanzen auf dem winzigen freien Platz zwischen Haus und Zaun. Roland fragt nach Tango und wurde belehrt: Tango tanzt man nur in Buenos Aires. Stimmt. Die Gesprächsthemen kreisen um die Jineteada , die Pferde und die Wettkämpfe der „alten Herren“ werden ausgewertet. Irgendwie sind immer alle miteinander verwandt, so erfahren wir, dass wir mit einem der Jones-Brüder feiern. Auf dem Höhepunkt der Stimmung wird das Fest beendet. Die beiden Jones-Pferde werden verladen und mit nach Esquel genommen. Wir verabschieden uns von der großen Familie. Emir, Vater von zwei kleinen Töchtern, gibt uns seine Telefonnummer – falls wir unsere Pferde verkaufen wollen. Er sucht für die Kinder „mui manso cavallos“.
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