Freiheit und die Kraft des eigenen Rhythmus
Es ist für mich eine ganz neue Erfahrung, in meinem Rhythmus mit den Pferden unterwegs zu sein. Auch allein unterwegs zu sein, ist neu für mich. Ich war mir nicht sicher, wie das werden wird. Schaffe ich das überhaupt?
Und wie immer in meinem Leben, bevorzuge ich den Weg ins Unbekannte. Schließlich ärgert man sich nur über Dinge,die man nicht gemacht hat. Alles andere schenkt wertvolle Erfahrungen.
Ja, diese Reise ist ein großer Schritt aus meiner Komfortzone. Doch ich hätte nie herausgefunden, ob allein reisen/reiten etwas für mich ist, wäre ich ich nicht losgeritten.
Natürlich hätte ich auch zu Hause einen Testritt machen können. Zuhause…? Wo ist das eigentlich. Seit ich hier bin, hier in der endlosen Weite der Anden fühle ich, dass sich mein Herz hier sehr zu Hause fühlt. Ein kaum beschreibbarer Frieden ergreift meine Seele und weitet sich aus. Mit ist dazu ein Lied eingefallen: Home is where my heart is…
Gegen einen "Test"ritt in Deutschland sprach Einiges: Ich habe kein eigenes Pferd. Seit Luzi die Seiten gewechselt hat, hat sich noch keine Pferdeseele wieder in meinem Herzen einen Platz schaffen wollen. Nicht in Deutschland. Außerdem kenne ich mich in den Anden besser aus, als in jedem anderen Gebirge. Mit Don Socke bin ich in den letzten 5 Jahren über 7000 Kilometer unterwegs gewesen. Durch Täler geritten, Pässe bezwungen, Menschen kennengelernt, eingetaucht in den Rhythmus der Verenadores, der Menschen, die den Sommer in den Bergen verbringen. Das alles ist mir vertraut. Und die Eigentümichkeiten des Wetters hier. Hier bin ich unterwegs im Schutz der Apus und dem Spirit der Kondore… das alles hat mich ermuntert gleich hier den "Test" zu wagen.
Stetige Begleiter Andenkondore
Meine innere Abenteurerin hat mich angefeuert. Und mein innerer Ruf hat sich sehr laut und eindringlich Gehör verschafft. Fast automatisch und folgerichtig habe ich Schritt für Schritt die Reise vorbereitet. Dabei war ich immer in dem Gefühlt: Das soll so sein, das ist genau richtig. Es ist so, wenn man auf dem Seelenweg unterwegs ist: man fühlt sich geführt. Die eigentliche Planung ist nicht mehr das wichtigste. Viel wichtiger wird, auf die innere Stimme, die Intuition und das Herz zu hören.
Aus der Stille der Duldsamkeit heraustreten und für sich selbst einstehen bedeutet, sich für das Leben zu entscheiden. Das Leben schlägt im Takt deines Herzens. Jeder von außen aufgezwungene Takt entfernt dich von deinem Sein, von deinem Weg und von der Essenz deiner Seele. "Hunger nach Leben" unveröff. Manuskript
Dabei habe ich unzählige magische Momente erlebt.
Ich bin schon eine gute Stunde unterwegs. Folge einem schmalen Pfad, den mir die Gauchos beschrieben haben. Wunderbar, er ist einigermaßen gut zu sehen und ich komme gut voran. Ich klettere an einem Felsen bergauf und denke noch, hoffendlich muss ich nicht umdrehen und hier wieder runter. Ich überwinde die Felsformation und das Tal öffent sich. Ich stehe ich vor einer weiten, großen, ebenen Mallin, auf der Kühe grasen. Meine Augen sind an die verschwindenen Spuren im kurzen Gras geheftet. Weg ist er, der Weg. Ich weiß die Richtung, in die wir reiten müssen und sehe eine weitere Felsformation. Ohne einen Pfad ist das aussichtslos. Ich reite hin und her, um den weiterführenden Weg zu finden. Nichts. Aber irgendwo muss er sein. Ich reite noch einmal langsam und suche mögliche "Ausgänge" gründlich ab. Wieder nichts. Ich bin enttäuscht. Wir sind recht weit oben und alle Puestos im Tal befinden sich "eine Etage" weiter unten. Keiner, den ich fragen kann. Wir müssen zurück. Ich reite talabwärts, um wieder abzusteigen. In dem Moment habe ich das Gefühl, mich umdrehen zu müssen. Ein Gaucho kommt auf mich zugeritten. Was für ein Glück! Wieder einmal. Carlo zeigt mir nicht nur den Einstieg ind den Weg, sondern begleitet mich ein ganzes Stück. Noch mehr Glück. Denn unterwegs sehe ich, wie lange ich gesucht hätte, um die zarten Wegspuren zu finden. Dieser Pfad wird nicht oft geritten, die Spuren sind demnach rar.
Ein anderes Mal suche ich einen Weg, weil ich auf einer alten Karte einen entdekt hatte. Eine alte Militätrstraße. Die muss man doch sehen - war mein Gedanke. Stundenlang habe ich gesucht. Bin mit den beiden Pferden durch Monte geritten und über Geröllfelder und habe immer wieder gedacht, einen Pfad zu sehen. Doch die Spuren endeten im nächsten Gebüsch. Ich drehe wieder um, um ein Nachtlager zu suchen. Dabei folge ich einem Pfad, den ich weder kenne, noch führt er in die richtige Richtung. Aber er weckt meine Neugier. Letzten Endes lande ich an einem Abzweig ins Tal. Von dort kann ich ins Tal und auf einen Ausschnitt der gegenüberliegnden Bergseite schauen. Schemenhaft erkenne ich fünf Reiter mit Packpferd. Dort ist der Weg! Eindeutig. Mit dem Zoom meiner Kamera verfolgte ich die Reiter und habe so meinen Weg für den kommenden Tag gefunden.
Ich könnte noch unzähligedieser Wegweiser und wundersamen Fügungen aufschreiben. Immer wieder bekomme ich in meiner Navigation Hilfe - und auf ganz andere Art, als ich es zuvor gedacht habe. Ich öffne meine Sinne für die Zeichen und sie finden zu mir in Form von Federn, Menschen, "Zufällen", Träumen und schamanischen Reisen.
Am Ende der Reise erlebe ich eine Magie, die wie mir im Märchen vorkommt … doch dazu schreibe ich einen separaten Artikel.
Das Alleinreisen ist Freiheit und Verantwortung zugleich. Ich bin einfach für alles der Ansprechpartner: Koppel- und Lagerbau, Küchechef und Köchin, Wegefinderin und Routenplanerin, Fotograf, Kontaktschmiede, Sattelüberprüfer, dass nichts reibt und drückt, Kräutersammlerin, Lagerplatzsucherin, Pausenplatzfinderin, Pferdepflegerin, Hufkontrolleurin, die gute Seele der Reise und Genießerin. Ja, bei all dem habe ich immer so viel Zeit zum Staunen, Genießen und Verweilen, wie auf keiner anderen Reise. Das mag daran liegen, dass die Länge unserer Tagesstrecken überschaubar sind. Es kommt nicht auf gerittene Kilometer an oder an einem bestimmten Tag, an einem bestimmten Ort anzukommen. Ich lasse mich viel treiben und bin den Zeichen auf dem Weg gefolgt. Die geplante Strecke war, bis zum Punkt, wo ich sie gänzlich verlassen habe, ein Anhaltspunkt.
Nicht alle Pfade sind so gut sichtbar
Am längsten Tag habe wir 40 Kilometer zurückgelegt, der kürzeste Reittag bescherte 500 Meter. Ja auch das gabs. Da lohnt kaum das Satteln und Packen. Doch ich konnte an einer so wunderschönen Stelle einfach nicht vorbeigehen.
Diese Art meines langsamen Unterwegsseins hat mich stark mit dem Umfeld verschmelzen lassen. Mit der Landschaft, den Tieren und Pflanzen, den Menschen und Spirits. Ich mutiere von der Reisenden, vom Passanten zu einem Bestandteil der des Ganzen. ich bin Natur. In der Natur ist für alle und alles gesorgt. Alle und alles sind miteinander verbunden. Natur ist ein funktionierendes System das ständig in Bewegung ist und ständig nach Gleichgewicht strebt. Und je mehr ich eintauche in dieses perfekte System, desto mehr erlebe ich, dass ich nichts kontrollieren muss. Und letzten Endes auch gar nicht kann. Und das befreit unglaublich. Jeder Augenblick ist neu, anders, unvorhersehbar. Und ich habe die Freiheit in jedem Augenblick zu entscheiden, wie ich reagiere. Pure Freiheit.
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