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Weihnachten :: Feliz Navidad

„Was macht dein Magen?“, spricht Roland nach dem Aufwachen die entscheidende Frage des Tages aus. „Ich kann nicht reiten“, presse ich hervor. Mir ist noch immer übel und die Schmerzen sind stark. Deshalb möchte ich nicht weiter ins Gebirge reiten, um im Notfall irgendwie zu einem Arzt zu kommen. Ich rutsche tief in den Schlafsack und schlafe ein. Gegen vier am Nachmittag wache ich auf und fühle mich viel besser. Ein Müsli und ein Tee helfen mir auf die Beine. Heute ist Weihnachten. Ich suche einen trockenen Ast mit Seitenzweigen und wickle einen roten Spanngurt darum. Das obere Ende wird mit dem gelben Lufthansa-Adressaufkleber geschmückt – fertig ist unser Weihnachtsbaum. Ich finde auch noch ein Stück Müsliverpackung und wickle Rolands Geschenk ein. Später stellt Roland ein ebenso aus Müslikartonpappe gebautes Schächtelchen mit einer Kerze, die wir in einem Puesto gefunden haben, unter den Baum. Mein Geschenk. Ich bin gespannt.

Machetenhiebe und Hufgetrabbel reißen uns aus den Vorbereitungen. Weil wir keinen um Erlaubnis fragen konnten, sind wir illegal hier und wollen nicht entdeckt und weggeschickt werden. Vorsichtig schauen wir aus unserer Deckung: Ein Gaucho mit weißem Pferd bahnt sich einen Weg durchs Gebüsch. Seltsam, am Weihnachtsabend. Offenbar gehört er genauso wenig wie wir hierhin. Ohne von uns Notiz zu nehmen, führt er seinen Weg fort. In Roland blühen Viehdiebsgeschichten auf... Dann ist Bescherung. Roland wickelt den kleinen Loriot- Lesezeichenkalender aus und grinst. Kaum ein Tag vergeht, an dem er nicht eine der Loriot-Pointen zum Besten gibt...“Da stimmt mit deinem Gefühl etwas nicht...“.Ab heute wird diese kleine Ding in Rolands Packtaschen die Reise durch Patagonien fortsetzen. Wir zünden die Kerze an und der Adventskalender von meiner Kollegin Anke, der gleichzeitig Windlicht mit 24 Fensterchen ist, erstrahlt feierlich. Ich öffne mein Päckchen und entdecke drei der kostbaren aus Deutschland mitgebrachten Spezial-Müsliriegel. Für Rolands Spezialernährung. Das Geschenk berührt mich. Beruhigt, weil unentdeckt, liegen wir im Schlafsack und schlafen friedlich beim Geräusch unserer Gras rupfenden Pferde ein.

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