Zu Gast im Western
Gestern Abend haben wir ganz untypisch den Handywecker gestellt, schließlich müssen wir 9 Uhr das Gelände verlassen. Der schicke Gaucho wartet sehr pünktlich mit gesatteltem Pferd vor unserem Nachtplatz. Halb neun sind wir on the road und haben Mühe, dem scharfem Tempo des Gauchos zu folgen. Tatsächlich ritten wir gen Osten, ein Tor im Westen, wohin wir eigentlich wollen, gäbe es nicht oder besser, keiner durfte es für uns öffnen. Nach fünf Kilometern auf staubigen Estanciapisten schloss der Gaucho das Tor auf und entlässt uns auf die Straße. Wir können es immer noch nicht fassen. Doch alles Hadern hilft nichts. Wir müssen, nun außerhalb des Zaunes der Estancia dieselbe Strecke entlang der Teerstraße zurück gen Westen reiten. Unser Ziel ist der Zeltplatz am Logo Tromen. Vor sieben Wochen waren sind wir über die Vulkanflanke dort schon einmal angekommen. Ich bin gespannt, wie uns die Guarda Parque empfangen wird? Werden wir den Lanin ein zweites Mal queren dürfen? Oder können wir die Alternativstrecke durch die Estancia Mamuil Malal reiten? Das alles geht mir durch den Kopf. Plötzlich staunen wir - unsere Blicke wurden von einem herrlich grünen Poloplatz
in mitten dieser Trockenheit magisch angesogen. Hier gibt´s Wasser und bestimmt auch Futter unsere drei. Wir biegen den Weg zur Estancia ein. Wir staunen weiter. Das Haus im bayrischen Baustil und ein sehr gepflegter Garten lassen deutsche Besitzer vermuten. Auf den Koppeln nebenan stehen einige Criollos. Polopferde sehen wir nicht. Ein alter Gaucho mit munteren Augen nimmt uns sehr freundlich in Empfang und lobt unsere Pferde. Wir schilden unser Anliegen und die Hausherrin wird herbeigerufen. Eine sehr schlanke, schick gekleidete Frau mit großer Sonnenbrille begrüßt uns akzentfreiem Englisch. Alles kein Problem, die Pferde können sich auf einer nahen kleinen Koppel stärken. Dort sollen wir auf ihren Mann, der zum Mittag nach Hause kommt, warten. Zwei schwer bewaffnete Jungs begleiten uns zur Koppel. Jefe, Trueno und Söckchen rupften sofort das saftige Grün, von dem reichlich vorhanden ist. Wir packten unsere Brotreste dazu und frühstückten im Schatten der alten Weiden. Wir fühlten uns, wegen der schwer bewaffneten Jungs, ein wenig wie in einem alten Western... und fragten uns, was das zu bedeuten hat. Pünktlich zum Mittag rollte ein Safari-Jeep mit einem jungen und einem älteren Mann mit hellem Cowboyhut in den Hof. Kurz darauf kommen beide zur Koppel gefahrn. Der ältere Cowboy trägt zwei Colds, einen Patronengürtel und auf dem Rücken ein Gewehr. Ich bin froh, dass wir schon angekündigt waren... Der junge Mann spricht deutsch, ein Österreicher, der hier bei seiner Familie die Ferien verbringt. Er dolmetscht ins Spanische. Wir schildern kurz unsere Lage.
Höflich, aber sehr distanziert bekommen wir die Erlaubnis, unsere Pferde unterstellen zu können, wenn wir am Lago Tromen keinen Platz oder kein Futter erhalten oder einen Transport organisieren müssten, falls wir keine Erlaubnis bekämen, den Vulkan ein zweites Mal queren zu dürfen. Auch fardo können wir hier bekommen. Durch das Gebiet der Estancia zum Lago Huchuelafquen zu reiten wurde uns allerdings verwehrt: überall wären vacas (Rinder). Dann läutete eine Glocke. Mittagssen. dadada dadadada ... irgendwie erinnerte diese Szenerie an die amerikanische Fernsehserie "Dallas", die ich aus Kindertagen kenne. Wir verabschiedeten uns mit der Option wiederkommen zu dürfen und folgten der Ruta No. 60 nach Westen. Ich bin froh, dass unser Weg bisher sehr wenig an den Straßen zwischen den Autos, die dicke Staubwolken hinterlassen, entlang führte. Zum Reiten bleibt nur der schmale Streifen zwischen Piste und den schnurgeraden Zäunen, die das Weideland abgrenzen. Nein, ein Gefühl von Freiheit sieht anders aus. Dann endlich: Das Eingangstor des Nationalpark. Eine Balkenkonstruktion aus je zwei ungefähr sechs Meter hohen Baumstämmen rechts und links, die drei Stämme quer darüber liegend tragen, überspannt die gesamte Piste und symbolisiert den Eintritt in den Nationalpark Lanin. "Bienvenidos Aerea Tromen" begrüßt uns ein großes Holzschild. Von hier aus sind es nur noch 10 Kilometer. Wir tränken die Pferde und erfrischen uns im Rio Malleo, bevor wir die letzte trocken-staubige
Etappe entlang der Piste in Angriff nehmen. Der stetige Blick auf den vor uns liegenden Vulkan Lanin entschädigt uns. Wolkenfetzten umtanzen seinen Gipfel, das Bild wechselt ständig. Mittlerweile ist der alten Lanin ein guter Bekannter geworden. Nach 33 Kilometern und neun Stunden erreichten wir gegen 17 Uhr endlich die Guardaparque am Camping Agreste Tromen. Die Parkranger und die Mapuche vom Camping begrüßen uns erstaunt, aber sehr herzlich wie alte Bekannte. Mit uns hatten sich nicht noch einmal gerechnet. Wir erzählten kurz die Geschichte unserer Umkehr. Nein diesmal wird Jefe auf dem Campingplatz nicht wieder randalieren. Bei unserem ersten Besuch blieb er mit seinem Gepäck in einem Baum hängen und riß ein ordentliches Stück herunter... wir lachen mit den Männern. Zwischen den Südbuchen finden einen schönen Platz für unser Zelt und satteln ab. In der Zwischenzeit hat Ranger C. bei der Gendarmerie auf der gegenüber liegenden Straßenseite einen Platz für unsere Pferde klargemacht. Diesmal müssen unsere drei die eingezäunte Koppel mit drei Pferden der Gendarmerie teilen. Das funktioniert völlig problemlos, Trueno und Söckchen zupfen sofort am Gras und Jefe schaut sich erst einmal die Kandidaten für die Vergrößerung seiner Herde an... Nachdem sich die drei gewälzt haben, schlendern wir zufrieden zum Zeltplatz und bauen unser Zelt auf. Den Abend verbringen wir bei den Mapuche am Lagerfeuer und fühlen uns sehr zu Hause.
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