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Geduld - eine argentinische Tugend

Wir haben ein umfangreiches Programm für den heutigen Tag vor und sind früh auf den Beinen. Der Tag beginnt mit Mate und weiteren Gesprächen mit Daniel. Auch er passt seine Aktivitäten den Gegebeneiten laufend an. So ist Argentinien. Was ist, kann man erst mit Sicherheit sagen, wenn es war ... Seit gestern Abend kenne ich Variante drei – er wird heute nach Chile fahren, nicht auf Freunde hier warten und auch nicht den Umweg über Angostura machen. Wir laufen ins Zentrum. Auf dem Plan steht der Geldtausch. Weil es keinen schwarzen Markt mehr gibt, suchen wir eine Bank. Wir fragen einen Polizisten, ohne zu bemerken, dass wir genau vor dem mächtigen Holztor der argentinischen Staatsbank stehen. Der bewaffnete Officer hilft uns – fragt am Schalter, und zieht uns eine Wartenummer C 174. Eben wird die C 126 in der elektronischen Tafel angezeigt. Eine Stunde mindestens... Der Officer gibt optimistische 20 Minuten an. Ich geselle mich in die dritte Stuhlreihe der Wartenden, während Roland weitere Tauschmöglichkeiten im Umfeld erkundet. Es geht schleppend voran. Aber alle sind sehr geduldig, eine argentinische Tugend. Um 1 Uhr schließt die Haupttür. Kurz darauf kommt Roland zum Seiteneingang herein und berichtet, dass an einer anderen Wechselstelle zwar weniger Menschen stehen, der Kurs aber etwas schlechter ist. Wir warten und bemerken, dass die Zahlen an der Anzeigetafel nun wesentlich schneller wechseln, seit die Tür geschlossen wurde. Die bevorstehende Sieste mobilisiert offenbar neue Kräfte der Bankangestellten. … und schon sind wir an der Reihe. Unsere Scheine werden einer akribischen Sichtkontrolle unterzogen. Zwei

50-Euro-Scheine reicht er uns zurück durch den Schalterschlitz. Weil sie jeweils einen kleinen Riss von ca. 2 mm haben, tauscht er sie nicht um. Unglaublich, wenn ich mir die Peso-Scheine so ansehe. Gegen diese „Lappen“ die wir bekommen haben, sind unsere Euros wie neu...Nützt nichts. Wir stecken sie wieder weg und hoffen, sie beim nächsten Mal an anderer Stelle loszuwerden. Der Beamte trägt unsere Passnummern ins Formular, wir unterschreiben und bekommen den Gegenwert mit Hilfe einer Zählmaschine überreicht. Nach fast zwei Stunden verlassen wir hungrig die Bank. Zu unserer Freude und Überraschung ist unser Lieblingschorizo-Verkäufer mit seiner Parilla an der alten Stelle. Wir reihen uns in die übliche Reihe der Wartenden und …. drei Leute vor uns werden die Würstchen alle. Große Enttäuschung. Ja, hier bin ich kein Vegetarier. Ich esse Fleisch und Würstchen, einerseits, weil ich weiß, wie die Tiere hier leben und auf der anderen Seite bekommen wir während unserer Reise in den Bergen oft nur Torta fritas (in Öl gebackene Hefeteigtaschen), Fleisch und Mate. Ich habe hier gelernt, dass vegetarische und vegane Ernährung ein Merkmal von Wohlstand ist – nicht überall auf der Welt ist diese gesunde Lebensweise umsetz- und bezahlbar. In Windeseile regeln wir den Rest, kaufen Busfahrscheine und packen unsere Sachen bei Lidia. Wir verabschieden uns herzlich, wissend, dass Lidia schwere Entscheidungen bevorstehen und wir nicht wissen, ob wir sie in dieser Pension wiedersehen.... Pünktlich um 5 Uhr abends sitzen wir im Bus in Richtung El Bolson. Die Fahrt erscheint mir unheimlich schnell, der Fahrer düst um die vielen Kurven, so dass mir übel wird. Unsere Endstation ist mitten auf der Strecke und wir sind uns nicht mehr ganz sicher, wo wir aussteigen müssen. Roland geht deshalb zum Fahrer, um nachzufragen. Dieser schreckte kurz hoch, weil er gerade SMS schrieb. Ich war sehr froh, dass wir bald aussteigen konnten und diese Busfahrt ohne Unfall überleben. Anderthalb Stunden nach der Abfahrt stehen wird am Bushäuschen am Eingang zum Lago Escondido mit unserem Gepäckhaufen, der ohne Auto nicht zu bewältigen ist. Roland läuft zur Information und kurz darauf sitzen wir in Gonzalos Picup und halten nach ca. 10 Kilometern direkt am Comedor, der Kantine für alle Angestellten hier. Kantine beschreibt das Ganze nicht richtig, die Qualität des Essens und das Ambiente ähnelt eher einem Restaurant oder einer gemütlichen Herberge, wo die Arbeiter nach dem Essen Siesta machen und sich in die mit riesigen Kissen bestücken Sitzecken fläzen können. Wir sind begeistert vom Essen. Vieles ist biologisch und wird hier angebaut. Der junge Koch mit italienischen Wurzeln, der sonst im Haupthaus kocht, ist super gelaunt und hat ein Händchen für Desserts und überhaupt für superleckeres Essen. Der Gedanke an den Speiseplan der nächsten Monate lässt dieses Essen als besonderes Glanzlicht aufleuchten.

Am Abend beziehen wir wieder unser Quartier im Pferdestall und freuen uns, morgen unsere drei Pferde, Jefe, Trueno und Söckchen, wieder zu sehen.

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